zurueck
PROTOKOLL Seite 4  
 
HEINRICH-NORDHOFF-GESAMTSCHULE WOLFSBURG  KURSPROTOKOLL
MATHE+KUNST 13. Jahrgang GK 2001-02-1 
7. - 9. Stunde, Raum C 710
13.11.2001
(R. nimmt an einer Fortbildung teil) K. Jaspers über Augustinus

"Drittes Beispiel: Die Zeit. - Die Zeit, dies jeden Augenblick Gegenwärtige, zeigt sich Augustin als unergründliches Geheimnis, je mehr er sich fragend darin vertieft.

Wir sprechen von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. »Ginge nichts vorüber, so gäbe es keine Vergangenheit; käme nichts heran, so gäbe es keine Zukunft; bestände nichts, so gäbe es keine Gegenwart.« Aber wunderlich: Vergangenheit und Zukunft sind nicht, jene nicht mehr, diese noch nicht, - und wäre die Gegenwart beständig gegenwärtig, ohne sich in die Vergangenheit zu verlieren, dann wäre sie keine Zeit mehr. Die Gegenwart, um Zeit zu sein, bestehe darin, dass sie sofort in Nichtsein übergeht.

Gibt es etwa nicht drei Zeiten, sondern nur eine, die Gegenwart? Zukunft und Vergangenheit sind doch nur in der Gegenwart. Wenn ich Vergangenes erzähle, so schaue ich dessen Bilder in der Gegenwart. Wenn ich an die Zukunft denke, so sind mir mögliche Handlungen und vorschwebende Bilder gegenwärtig. Es gibt nur die Gegenwart und in der Gegenwart drei Zeiten. Gegenwärtig in bezug auf die Vergangenheit ist das Gedächtnis, gegenwärtig in bezug auf die Gegenwart ist die Anschauung und gegenwärtig in bezug auf die Zukunft ist die Erwartung.

Was aber ist die Gegenwart? Reden von kurzen und langen Zeiten betreffen Vergangenheit und Zukunft. Hundert Jahre, ein Jahr, ein Tag, eine Stunde, sie können nicht gegenwärtig sein. Immer ist, so lange sie dauern, in ihnen noch Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges. Könnte man sich eine Zeit denken, die sich in keine kleinsten Teilchen mehr teilen läßt, so würde man diese allein Gegenwart nennen. Aber dieses Zeitteilchen geht so schnell aus der Zukunft in die Vergangenheit über, dass die Gegenwart keine Dauer hat. Sie ist nur wie ein Punkt, eine Grenze, ist, indem sie schon nicht mehr ist.

Wenn wir die Zeit messen, messen wir offenbar nicht die Gegenwart, die keine Dauer hat, sondern wir messen die Zeiten, die wahrnehmbar sind, indem sie vorübergehen. Dann aber messen wir, was entweder nicht mehr oder noch nicht ist. Mit welchem Maß messen wir die Zeit, die nicht ist?

Man hat gesagt, die Bewegungen der Sonne, des Mondes, der Sterne seien die Zeiten. Wenn aber diese Bewegung die Zeit ist, so jede Bewegung. Würden jene Himmelslichter feiern, könnte es die Drehung der Töpferscheibe sein. Aber in keinem Falle ist die Bewegung die Zeit, sondern mit der Zeit wird die Bewegung gemessen, die bald länger, bald kürzer sein kann. Bewegungen der Gestirne wie Drehung der Töpferscheibe sind Zeichen der Zeit, nicht selber die Zeit. Jetzt aber handelt es sich darum, nicht was Bewegung und was der Tag ist, sondern was die Zeit ist. Mit ihr messen wir auch den Kreislauf der Sonne. Wir messen nicht nur die Bewegung, sondern auch die Dauer des Stillstands der Zeit.

So messe ich also, sagt Augustin, ohne zu wissen, womit ich messe. Ich messe die Bewegung des Körpers mit der Zeit, und doch messe ich die Zeit nicht? Womit messe ich die Zeit selbst? Ich messe Längen von Gedichten, der Versfüße, vergleiche sie, nehme eins als doppelt so lange dauernd als das andere wahr. Hieraus schließe ich, »dass die Zeit nur eine Ausdehnung sei, aber wovon, das weiß ich nicht«.

Der Geist ist es - so ist die letzte Antwort Augustins -, der selber die Ausdehnung der Zeit ist. Wenn ich ein Gedicht lese, messe ich die Silben, aber »nicht sie selbst, die bereits nicht mehr sind, sondern ich messe etwas, was sich meinem Gedächtnis eingeprägt hat«. Also messe ich in meinem Geist meine Zeiten. »Den Eindruck, den die vorübergehenden Dinge auf mich machen und der auch, nachdem sie vorübergegangen sind, bleibt, diesen mir gegenwärtigen Eindruck also messe ich, nicht das, was vorübergegangen ist.« »Der Geist übt eine dreifache Tätigkeit aus. Er erwartet, nimmt wahr und erinnert sich, so dass das von ihm Erwartete durch seine Wahrnehmung hindurch in Erinnerung übergeht.«

So scheint die Lösung gewonnen. Der Geist misst sich selbst in dem, was ihm gegenwärtig ist. So vermag er das Vorübergehende zu messen. Aber es zeigt sich weiter, »dass wir weder die zukünftige noch die vergangene, noch die gegenwärtige, noch die vorübergehende Zeit messen, und dennoch die Zeit messen.«


Augustin denkt fragend. Die Frage: Was ist die Zeit? wird beantwortet durch neue Fragen. Das Geheimnis wird nicht aufgelöst, sondern als solches zum Bewusstsein gebracht. »Was ist also die Zeit? Wenn mich niemand fragt, so weiß ich es; will ich es aber jemandem auf seine Frage hin erklären, so weiß ich es nicht.« »Ich forsche nur, ich stelle keine Behauptungen auf.« Augustin begehrt, »in diese so alltäglichen und doch so geheimnisvollen Dinge« einzudringen. Wir sprechen ständig von Zeit, von wann und wie lange, und dabei verstehen wir uns. »Es sind ganz gewöhnliche und gebräuchliche Dinge, und doch sind sie wiederum ganz dunkel.« Und nach langen Erörterungen bekennt er, »dass ich immer noch nicht weiß, was die Zeit ist, und wiederum bekenne ich, zu wissen, dass ich dieses in der Zeit sage... Wie also weiß ich dieses, wenn mir der Begriff der Zeit fremd ist?... Vielleicht weiß ich gar nicht, was ich nicht weiß!«

Zur Frage, was die Zeit sei, wurde Augustin gedrängt durch die Erörterung des Einwands gegen die Schöpfung: Was tat Gott, bevor er Himmel und Erde schuf? Wenn er ruhte, warum ist er nicht in der Untätigkeit verblieben? Wenn es ein neuer Wille war, könnte man da noch ..."

Q: Karl Jaspers: 3 Gründe des Philosophierens. Plato, Augustinus, Kant. Deutscher Bücherbund.
Stuttgart, Hamburg (o.J.) in Lizenz des Piper-Verlags. (ergänzt am 25.01.2008)


20.11.2001
Elternsprechtag

 

27.11..2001

Aufgabenstellung für eine praktische Gestaltungsarbeit
(Protokoll: Imtinen Haddad, ergänzt mit didaktische Erläuterungen)


Aufgabenerläuterung:
Einige wesentliche Aspekte des Gegenstandes "Illustrierte" sind an der Tafel gruppiert worden (s.u.), um einige verknüpfte Bedeutungsebenen bewusst aufzuzeigen. Wenn eine Illustrierte umgewandelt werden soll, kann sie ja nicht so behandelt werden, als wäre die Zeitschrift ein namenloses Ding aus unbekanntem Stoff fremder Herkunft. - Rückblick in die Vergangenheit:
Seit ca. 1450 wird mit beweglichen Buchstabenstempeln gedruckt, mehr: http://www.gutenberg.de/. Vorher hatte man immer einen ganzseitigen Holzdruck verwendet, was sehr zeitaufwendig war. Jetzt konnten die gesetzten Texte wieder zerlegt werden und die Buchstaben in neuer Kombination Anderes bedeuten. Zusammen mit der Verbreitung des Papieres in Europa trugen gedruckte Bücher, Flugblätter und Zeitungen ihren Teil zur kulturellen Umwälzung zu Beginn der Neuzeit bei. - Das Wort Illustrierte stammt vom lateinischen "illustro (illustrare)" ab, das "erhellen, erleuchten; ans Licht bringen; anschaulich machen, erklären; Glanz verleihen, verherrlichen, berühmt machen" bedeutet.

Materielles
Holz + Zellulose + Farbe +
...


Funktionelles
handlich + geheftete Seiten + blättern + temporäre Gültigkeit + ...

ILLUSTRIERTE

Inhaltliches
Bilder + Texte + Sachinformation + Meinung + Werbung, Anzeigen + Unterhaltung + ...
Den Aufgabensteller hat gereizt, die Frage nach "Wahrheit" mit einer künstlerischen Bearbeitung einer Illustrierten, einer "periodisch erscheinenden Zeitschrift, die überwiegend Bildberichte und Reportagen aus dem Zeitgeschehen veröffentlicht" (Duden) zu verknüpfen. Um den Zeitbezug zu garantieren, durften nur aktuelle Ausgaben von focus, SPIEGEL und stern gewählt werden, weil diese vorwiegend gesellschaftlich-politisch orientierte sind.
Die Illustrierte musste eventuell auf radikale Weise physikalisch umgeformt werden, damit aus ihr ein neues Objekt entstehen konnte. Die Präsentationsform dieser transformierenden Gestaltung ist als Teil der Arbeit zu beachten! (Lehrernotiz: Die Illustrierte aus der Erkenntnis heraus umgestalten, dass eine Zeitschrift nichts als bedrucktes Papier sei!)

Die Arbeit war selbständig zu Hause zu bewerkstelligen und am 11.12.2001 vorzulegen.
 
ABBILDUNGEN
 

Syntaktischer und Semantischer Wahrheitsbegriff

Das MU-Rätsel von Douglas R. Hofstadter
Ein Spiel mit der Wahrheit in einem formalen System

Das Thema Wahrheit ist genauso komplex wie das Thema Zeit.
Mit einem Sprachspiel wurde nun die theoretische Arbeit am Wahrheitsbegriff konkretisiert.

Man hat 3 Buchstaben bei diesem Spiel zur Verfügung: MIU
In jeder Sprache gibt es verschiedene Zeichenketten die mal richtig oder falsch sind.
Für dieses Spiel gibt es 4 Regeln, die man beachten muss.
1. Regel: Wenn Sie eine Kette besitzen, deren letzter Buchstabe I ist, können Sie am Schluss U zufügen. (M.....I > M....IU)
2. Regel: Angenommen Sie haben Mx. Dann können Sie Ihrer Sammlung Mxx zufügen. (In diesem Fall gehört x nicht zum Zeichenvorrat und ist somit keine gültige Zeichenkette)
Verdoppeln Mx > Mxx (MUM > MUMUM, MU > MUU)
3. Regel: Wenn in einer der Ketten Ihrer Sammlung III vorkommt, können Sie eine neue Kette mit U anstelle von III bilden. (UMIIIMU > UMUMU)
4. Regel: Wenn UU in einer Ihrer Ketten vorkommt, kann man es streichen. (UUU > U, MUUUIII > MUIII)

Beispiel: Wie ist MUIIU aus MI (Axiom) erzeugt worden? Antwort: MI -> MII -> MIIII -> MIIIIIIII -> MUIIU

Herr Sechtig stellte nun die Frage, ob der Satz MU mit den oben genannten Regeln erzeugt werden kann: "Ist der Satz MU wahr?"

Zur Herstellung von MU
MU ist mit den Erzeugungsregeln aus dem Axiom MI nicht herstellbar. Die Begründung dafür:
I) Innerhalb des MIU-Systems kann man nur die Regeln anwenden. Dieses könnte mit Hilfe eines Computers überprüft werden, der mit allen Regeln des Systems alle Möglichkeiten durchgeht. Inwieweit ein Ergebnis abzusehen ist, zeigt die Illustration Abb. 11:

In jeder neuen Ebene könnte MU prinzipiell erzeugt werden. Dadurch kann auch nach einer beliebig langen Rechenzeit nicht entschieden werden, ob MU herstellbar ist (wahr ist) oder nicht.

II) Herausspringen aus dem System in das Referenzsystem Mathematik (Zahlentheorie). Es gibt nur zwei Regeln, die für die Erzeugung von MU relevant sind:
1. Verlängerungsregeln (Verdoppelung)
2. Verkürzungsregel die aus III ein U macht

Da eine Zweierpotenz nicht durch 3 teilbar ist, wird es am Ende nie 3 I's (III) geben, die zu dem letzten U verwandelt werden können. Wir haben hiermit eine Wahrheit im MIU-System installiert (MU ist nicht herstellbar), indem wir uns auf die Metaebene Mathematik begeben.
Die Wahrheit über MU ist also nur mittels einer Wahrheit aus der Zahlentheorie (Referenzsystem des MIU-Systems) gültig.
Das MIU-System ist ein formales System. Wir mussten aus diesem syntaktischen System herausspringen um die Wahrheit von MU zu überprüfen, damit liegt ein syntaktischer Wahrheitsbegriff vor.

Das P-g-System von Douglas R. Hofstadter

Das p-g System führt uns zu einem semantischen Wahrheitsbegriff.
In Ergänzung zum MU-System wurde noch über das pg-System gegrübelt. Es wird aus dem gesetzten Zeichenvorrat: p, g, -, gebildet und als Satz xp-gx- definiert, der dann ein Axiom ist, wenn x nur aus Bindestrichen besteht. x ist also eine Variable, die mit beliebig vielen Strichen ersetzt sein will. Beispiel: xp-gx- wird zu --p-g--- .

Das pg-System besitzt nur eine Erzeugungsregel: Angenommen x, y und z stehen alle für einzelne Bindestrich-Ketten, und angenommen, dass man weiß, dass xpygz ein Satz ist. Dann ist xpy-gz- ein Satz. - Setzt man dieses Spiel fort, wird allmählich deutlich, dass ein "Entscheidungsverfahren" gebraucht wird, um sagen zu können, ob ein Satz in diesem System richtig oder falsch ist. Wie in der Textquelle (siehe dort) im Einzelnen entwickelt wird, erweist sich nach einigen Mühen eine Interpretation des Satzes als sinnvoll: wenn p "plus" und g "gleich" bedeuten würden, wäre das Entscheidungsverfahren enträtselt. Was sagt uns aber, dass nur diese Deutung den Satz wahr sein lässt?
Möglicherweise könnten Interpretationen auf der Grundlage anderer Systemstrukturen ebenfalls sinnvoll sein, insofern gäbe es bei einer semantischen Wahrheitsentscheidung - wie hier im pg-System - einen Mangel an Gewissheit, da letztendlich p und g mehrere Bedeutungen bekommen könnten, welche unter Umständen trotzdem richtig sein würden. Es ist vor allem wichtig, wie man seine Interpretation begründet, da jeder sein eigenes System für eine Interpretation entwickelt. Interpretationen entstehen durch Hypothesenbildungen.

>>>>>>>>>>>>>>>>>>Textquellen: Das MU-Rätsel + Das p-g-System <<<<<<<<<<<<<<<<<<
04.12.2001
  • Web-Präsentation des Kursprotokolls
  • problematisierendes Gespräch über die Bildkonstruktion "Tausendmal Jesus" (= Buddha?)
  • Vermittelnde Wiederholung des Wahrheitsbegriffs aus mathematischer Sicht (Vgl. MU-Rätsel und das pg-System)
  • Vertiefung des Wahrheitsbegriffs anhand ausgewählter Ausschnitte des Films "Club der toten Dichter": ... die Wahrheit ist wie eine zu kurze Decke ...(sinngemäßes Zitat). Wo wissenschaftliche Systeme nicht greifen wirkt das Künstlerische (als Referenzsystem).

 

Noch eine Wahrheit
Das Bild war in der Braunschweiger Zeitung am 22.11.2001mit folgendem Text zu sehen:
Tausendmal Jesus in einem Buddha

Tausend kleinster Fotografien einer Jesusabbildung ergeben in diesem modernen Kunstwerk einen Riesen-Buddha. Das Bild ist Teil einer Kunstausstellung in Sydney, die mehr als 120 Buddha-Bilder vom ersten bis zum 21. Jahrhundert präsentiert. Foto: Reuters
Protokoll vom Dienstag, den 4.12.2001
( Koubeib Harathi)
In der vorherigen Woche haben wir aus dem "MIU"-Spiel gelernt, dass man nur durch ein Referenzsystem (in diesem Fall Mathematik) Wahrheiten über Sätze eines Systems sagen kann (Richtiges oder Fehler im System aufzeigen kann). So ist mathematisch zu beweisen, dass "MU", nach den Regeln, die das "MIU"-Spiel bestimmen, nicht existieren kann.

Diese Feststellung versuchten wir dann auf die Kunst zu beziehen. Mit dem "Jesus-Buddha Bild" wollten wir dieses tun. Aus tausender kleiner Jesus-Fotografien ist ein großes Buddha Bild zusammengesetzt. Das Buddha Bild kann also ohne die Jesus Bilder nicht existieren. Das Werk stellt im Grunde die Frage: Welches der beiden gleichzeitig zitierten Systeme ist das richtige?
Der Künstler arbeitet im Kunstsystem, um Bedeutungsaspekte der Religionen aufzuzeigen. (z.B.: Die Größe und die Freude des Buddha im Gegensatz zum wahrscheinlich gekreuzigten Jesus, der tausendfach und verkleinert nur aus der Nähe erkennbar wird.) Er tut dies mit künstlerischen jedoch nicht mit religiösen Mitteln. (Außerdem verdeutlicht er die bedingte Struktur unserer Wahrnehmung.) Die nonverbale Ebene (Kunst) ist hier also ein Metasystem, das der Künstler braucht, um andere Systeme zu durchleuchten.

Diese Methode wird oft benutzt, wie in dem Film "Club der toten Dichter".
Drei ausgewählte Szenen reichen aus, um diesen Aspekt des Systemwechsels zu erkennen. In der ersten Szene zeigt ein Lehrer seinen Schülern alte Fotos ehemaliger Schüler, die im Flur der Schule hängen. Dabei will er ihnen das "Carpe-diem" (Nutze deinen Tag) als gutes Lebensmotto vorstellen.
In der zweiten Szene lesen die Schüler im Unterricht die Einleitung eines Buches über Lyrik. Diese Einleitung verbindet Mathematik mit Poesie: Ein Doktor der Philosophie behauptet, dass sich Gedichte mathematisch bewerten lassen. Dies wäre möglich, wenn zwei allgemeine Kriterien von Gedichten in einem Koordinatensystem dargestellt würden. Der Lehrer findet, der Ansatz, Lyrik auf diese Weise zu definieren, sei Unsinn. Mit der Begründung, dass die Freude an Lyrik nicht von Bewertungsmethoden abhängt, lässt er daraufhin die entsprechenden Seiten aus dem Buch herausreißen. Der Lehrer sagt ihnen dann später, dass Poesie sich frei entfalten muss, dass sie ohne absolute Regeln entsteht und schön zu genießen ist. Mit der Lyrik erreiche man nicht die durchaus edlen Ziele wie Jura und Medizin, sondern die individuellen Ziele wie Romantik, Liebe und Glück.
Die letzte Szene ist die wichtigste, denn da sollen die Schüler ihre selbst geschriebenen
Gedichte vorstellen. - Als ein Schüler an die Reihe kommt, der kein Gedicht geschrieben hatte, holt ihn der Lehrer an die Tafel. Dort zeigt er ihm das Bild vom Autor Walf Witman und hält dann die Augen des Schülers zu. Der soll dann beschreiben, was er sieht. Jener hört die Stimme von Witman murmeln: "Wahrheit ...Wahrheit ...". Er hört auch, wie Witman ihm die Wahrheiten der Schule (Jura, Medizin...) als Decke darstellt, die das Angesicht deckt, aber die Füße kalt lässt. Die andere Wahrheit (Selbstentfaltung im poetischen Ausdruck) die man durch das Carpe-diem erreicht, kann aber die Füße zumindest wärmer halten. Am Ende spricht der Schüler ein Gedicht aus seinem Inneren, das lautet: "Vom Schrei bei der Geburt bis hin zu deinen Tod bedeckt sie nur dein Angesicht, so sehr du auch weinst und schreist in deiner Not". Alle Mitschüler und der Lehrer sind tief berührt und brauchen eine Weile bis sie klatschen.
Der Lehrer hat es durch seine unkonventionellen Methoden geschafft, die Schüler zu überzeugen, dass andere Werte glücklich machen können als materieller Wohlstand oder kopflastiges Faktenwissen.
Er ist vom rein wissenschaftlichen Bereich in ein künstlerisches "Lyrik-System" hineingesprungen, um den Schülern neue Einsichten (eine andere Wahrheit?) zu vermitteln.

11.12.2001
Abgabe und Besprechung der praktischen Arbeit vom 27.11.01 (Abbildungen) + Vertiefung "Club der toten Dichter"
18.12.2001

Fortsetzung der Besprechung praktischer Arbeiten, Kursbewertung, Kurskritik und
Überlegungen zum Folgekurs

ENDE des 1. Schulhalbjahres 2000/2001 - Kurshalbjahr 3